Nun bin ich wieder zu Hause, aber noch ist längst nicht alles verarbeitet, Kamakura zum Beispiel. Es wird also noch einiges aus Japan zu sehen geben. Heute also unseren Besuch in Kamakura. Hase-Dera ist eine sehr schöne Zen-Tempel-Anlage direkt an einem steilen Berg gelegen mit Blick über die Bucht von Kamakura. Das Herz der Anlage ist eine fast 10 Meter hohe Statue von Kannon – das entspricht im Mahayana-Buddhismus und in Indien dem Bodhisattva Avalokiteshvara, der das Mitgefühl verkörpert. Die Statue stammt aus dem 8. Jahrhundert und ist eine spezielle Darstellung mit elf Köpfen. In der einen Hand hält sie einen Louts und in der anderen, ausgestreckten einen Stab. Mittlerweile vergoldet trohnt Kannon in der Haupthalle des Tempels. Ich stand eine Weile davor und habe die Atmosphäre eingesogen, die diese Figur ausstrahlt.
Die Tempel von Hase-Dera sind umgeben von einem schönen und gut gepflegten Garten. Im Steilhang stehen fast nur Hortensienbüsche neben einigen Crocosmia und weiteren Zwiebelpflanzen. Die Hydrangea, alles die klassischen Sorten mit den glatten Blättern, waren gerade am Aufblühen und zeigten eine fantastische Vielfalt.
Kamakura ist überhaupt eine interessante Stadt. Sie liegt 40 Zugminuten von Tokyo entfernt und ist berühmt für ihre vielen buddhistischen Tempel. Diese stammen größtenteils aus dem 13. Jahrhundert, als Kamakura Regierungssitz von Japan war. Einer davon ist Engaku-ji, der 1282 gegründet wurde. Die gesamte Anlage ist groß und überall spürt man die aktive Nutzung als Meditationsstätte. Viele größere und kleinere Gebäude, Tempel und Häuser reihen sich wie auf einer Perlenschnur den Berg hinauf aneinander. Ebenfalls zu Kamakura gehört die steile und gern besuchte Insel Enoshima. Auf Schritt und Tritt begegnet einem hier ein Drache in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen, schon auf dem ersten Torii auf dem Weg zum Enoshima-Schrein ist er abgebildet.
Auch der zweitgrößte Buddha Japans, eine Verkörperung von Amida, steht in Kamakura. Der Daibutsu sitzt im Freien, seit 1498 ein Tsunami das Gebäude zerstört hat. Daher die schöne grüne Patina. Man kann sogar hineinklettern und seine Bauweise betrachten. Hier ist vielleicht was los: Schulklassen, japanische Familien und Touristen wuseln um die Statue herum. Ab und zu muss man den auf englisch radebrechenden Schülern Fragen beantworten und sich mit ihnen fotografieren lassen. Amida aber schaut mit halbgeschlossenen Augen in totaler Entspannung auf das Treiben herab – was machen schon ein paar lärmende Schüler aus, wenn man seit über 750 Jahren da sitzt.
Zeit ist hier eben relativ. So wie das Meer seit Tausenden von Jahren gegen die Felsen an der Küste schlägt und sich doch in jeder Welle neu erfindet so ist für die Zen-Buddhisten der Unterschied zwischen einer Sekunde und einem Jahrhundert praktisch nicht vorhanden.
Buddha oder Bodhisattva – Shintoismus oder Buddhismus? Diese sehr informative Seite gibt seht gut lesbar und präzise Übersicht über Religion in Japan: https://www.univie.ac.at/rel_jap/an/Religion-in-Japan
Sabine Pecoraro-Schneider meint
Sylvia – ein wunderbarer Bericht und wieder die hervorragenden Fotos, bin hin und weg!
Dazu eine ganz andere Kultur, das macht Reisen so faszinierend!
Reinhard war auch vor Jahren in Japan, eine Reise auf eigene Faust…leider sind seine Fotos nicht digitalisiert.
Sylvia Knittel meint
Danke, Sabine 🙂 Vielleicht sollte Reinhard seine Fotos digitalisieren und bei der Gelegenheit geistig noch einmal hinreisen… Ich glaube, dass sich in Japan in den vergangenen 20 Jahren sehr viel geändert hat, man ist dem „Westen“ deutlich näher gekommen und umgekehrt. In Japan begegnen einem vieles, was man von zu Hause kennt, aber eigentlich aus Japan kommt. Und trotzdem ist diese Kultur sehr anders.