Der Eqi wandert nicht so schnell, aber es bricht eigentlich dauernd was ab – nur dann nicht, wenn man mit gezückter Kamera darauf wartet – aber das ist eine andere Geschichte. Mit dem Boot fuhren wir bis etwa einen Kilometer vor die drei Kilometer breite und 200 Meter hohe Eiswand. Ein Kilometer, das klingt sehr weit weg, aber man hat gar keinen Begriff von den Dimensionen. Vom Camp aus (3 Kilometer Luftlinie vom Gletscher) sieht das Boot vor der Eiswand so minimini aus, dass einem Angst und bang wird – siehe Titelbild. Da krachen halbe Wände vor einem ins Wasser. Und dann kommt die Welle, eine mächtige Dünung.
Hüttenleben
Das Boot setzte uns gegen 14 Uhr im Camp Eqi ab. Das Anlegemanöver ist schon speziell. Man steigt über die Bugspitze aus, das Boot wird nicht vertäut. Dann muss man sein Bündel unter den Arm klemmen. Und sofort den Berg hinauf in die Safety Zone klettern. Falls tatsächlich mal ein sehr großes Stück abbrechen sollte und es dann einen Tsunami geben sollte, muss das Boot in vier Minuten abgelegt haben und alle Leute an Land oben in der Safety Zone sein. Also kraxelten wir über die glattgeschliffenen Granitfelsen nach oben zum Camp.
Dieses besteht aus 12 Gäste-Hütten und einem Haupthaus, in dem gegessen wird und man zusammen sitzen kann. Nur dort gibt es Strom und Wasser. Wir bekamen unsere Hütten zugewiesen und bezogen die Holzhäuschen, zusammengenagelt aus einfachen Brettern. Darin ein Bett mit warmen Daunendecken und ein Gasflammenheizer.
Botanisiert
Der Nachmittag war frei, wir kletterten etwas den Berg hinauf für einen schönen Blick auf das Camp. Ich genoss es, mir die Pflanzen in Ruhe ansehen zu können und das Camp von oben vor der tollen Kulisse zu fotografieren.
Der Sonnenuntergang hätte schöner sein können, aber er war zumindest dramatisch und gönnte uns noch ein letztes rotes Aufflackern. Die Sturmwolken kündeten schon von dem schlechten Wetter, das den kommenden Tag beherrschen sollte.
Den nächsten Morgen wollten wir eigentlich zur Moräne hinaufwandern und den Blick auf den Gletscher genießen. Aber vor lauter Wolken hätte man nichts gesehen und es war noch nicht absehbar, wann der Regen kommt. So haben wir das verschoben und ich hatte Zeit, noch etwas durch die Gegend zu streifen und Pflanzen zu gucken. Am Mittag begannen Regen und der Sturm, die nicht aufhören wollten.
Da man nicht immer in der Haupthütte sitzen kann, habe ich im geheizten Zimmer zwischen den warmen Laken einen Mittagsschlaf gemacht. Ohne Heizung wäre es schon arg klamm geworden, denn der Wind drückte den Regen etwas durch die Ecken der Hütte nach drin. Da es im Camp Eqi auch keinen Handyempfang gibt, war dies wirklich ein ruhiger und entspannender Nachmittag.
Es passierte einfach nichts und gab auch nichts zu tun, außer dem Gletscher zuzuhören. Es knallte und krachte immer wieder wie Kanonenschüsse, dann kam das Grollen wie Donner. Auch in der Nacht hörte das nicht auf und war sogar noch deutlicher zu hören als tagsüber. Schon eine irgendwie unheimliche Geräuschkulisse, auch wenn ich wusste, dass das normal ist und gar nichts passieren kann.
Die Hinterlassenschaften des Regens
In der Nacht hörte der Regen auf. Das war gut, denn wir hatten beschlossen, zum Sonnenaufgang zum Fotografieren zu gehen. Ein Blick nach draußen und ich sprang förmlich in die Klamotten: Nebel!!! Welch ein Drama am Himmel und über dem Wasser, gekrönt von weißen Gipfeln, denn nur ein paar Höhenmeter höher hatte es geschneit. Also erste Fotorunde zum Sonnenaufgang. Direkt über uns war blauer Himmel, aber schnell wurde der Nebel über dem Wasser erst einmal dicht und zog alles zu.
Dann eben kurzes Frühstück und gleich wieder los – wir wollten doch noch auf die Moräne wandern, bevor uns das Schiff um 14 Uhr wieder abholte. Das Wetter entwickelte sich immer besser, die Nebelschwaden waberten dekorativ herum. Ich hatte keine Zeit für Gemütlichkeit und rannte förmlich auf den Hügel an der Seite des Camps – ein Nebelbogen!
Eqi Gletscher von oben
Dann wanderten wir los. Der Nebel schuf immer wieder neue Stimmungen. Auf die Moräne hinauf waren etwa 300 Höhenmeter, aber angesichts der gigantischen Ausmaße dieser Umgebung sah das einfach nur winzig aus. Zuerst umrundeten wir den großen See im flachen Bereich hinter der Moräne. Die glattgeschliffenen Granitfelsen sahen fantastisch aus im Nebel.
Dann ging es steil bergan. Aber wir schafften es alle bis zu dem Aussichtspunkt und genossen eine wunderbare Rundumsicht auf den Gletscher, den Fjord und die immer noch nebelumwaberten Berge. Einfach nur atemberaubend.
Glücklich marschierten wir zurück ins Camp, auch kurz vor Mittag waberte der Nebel noch hin und her und ergab interessante Blicke. Der glatt geschliffene Granit glänzte im nebligen Gegenlicht.
Im Camp ergatterten wir gerade so eben ein Mittagessen, bis uns dann das Schiff wieder abholte und nach Ilulissat zurück brachte. Im nächsten Beitrag bleiben wir in Ilulissat, von wo wir am 3. September aufgebrochen waren.
Heinz D. Schultz meint
Wieder sehr beeindruckende Bilder und Erzählungen. Macht Spass zu Lesen.
Sylvia Knittel meint
Dankeschön! Die Texte zu schreiben und die Bilder auszuwählen bringt ich immer wieder zurück an diese wunderbaren Orte.