Im späten Herbst zeigt ein Garten, was seine Gärtner können, so auch auf der Mainau. Mitte November erwartet einen die Blumeninsel Mainau nicht mehr mit den bekannten Blütenfluten. Viele der Beete mit einjährigen oder nicht winterharten Pflanzen werden abgeräumt. So fand ich bei meinem Besuch am 12. November schon Beete mit frischer Winterbepflanzung vor, in die gerade verschiedene Pflanzungen für das Frühjahr gesetzt wurden. Aber wegen der klassischen Blütenflut oder der weiteren Attraktionen war ich ja gar nicht gekommen. Mich interessierten die Gehölze und die Strukturen in der gesamten Anlage sowie der Staudenbeete.
Im Nebelwald
Zuerst aber nahm mich die Insel mit Nebel in Empfang, so dicht, dass die Bäume im Ungefähren verschwanden. Am Bodensee kann so ein Wetter schonmal mehrere Tage anhalten, aber ich war zuversichtlich, dass die Sonne durchkommen würde. Ich spazierte durch den nebligen Wald. Plötzlich tauchte ein großer Acer palmatum auf. Sein rotes Laub leuchtete im Nebel. Langsam segelten immer wieder Blätter zu Boden. Ein sehr meditativer wenngleich düsterer Anblick.
Neben der Schlosskirche steht ein riesiger Gingko, der in leuchtendem Gelb loderte. Ich habe selten ein so mächtiges Exemplar gesehen. Neben Schlosskirche und Palmengarten liegt der Italienische Rosengarten. Noch immer blühten verschiedene Rosen, aber der wahre Zauber an diesem Morgen wurde durch die Statuen erzeugt, die sich hell vor dem Nebel abhoben.
Die Mitte der Insel liegt auf einem Felsen, einer der Gärtner erzählte mir, dass die gesamte Insel auf einem undurchlässigen Molassefelsen liegt und sich nur eine dünne Schicht Humus darauf befindet. Die Anhöhe, auf der auch das Schloss steht, fällt steil ab in Richtung Süden und Nordosten. Die unterschiedlichen Höhenniveaus geben der Insel ihren Charme und gestalterische Abwechslung. An verschiedenen Stellen stößt man auf Staudenbeete oder Gehölze, so dass sich immer wieder neue Durch- und Ausblicke ergeben.
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Italienische Atmosphäre
Plötzlich riss es auf und die Sonne kam durch. Die Bäume fingen an zu leuchten und die ganze Insel erwachte. Die Südterrassen am Hang sind mit Palmen bepflanzt, sie liegen in der vollen Sonne. Im warmen Spätnachmittagslicht fühlte ich mich wie in Italien. Das angenehme Klima mitten im Bodensee macht es möglich, eine solche südländische Atmosphäre zu erzeugen.
Unterhalb der Terrassen am Steilhang liegt die italienische Blumen-Wassertreppe. Sie ist über eine lange Zeit des Jahres ein blütenprächtiger Ort. Im Herbst ergießt sich dort eine Flut von Dahlien die Treppen links und rechts vom Wasser hinunter. Die strenge Symmetrie der steilen Stufen, die sich in dem geraden Weg fortsetzt steht im Kontrast zur Lebendigkeit und Farbigkeit der Pflanzen. Als ich da war, hatten die Gärtner gerade begonnen, die Knollen herauszuheben.
Wenn man den Hang von den Terrassen nach unten steigt, erwarten einen noch ein paar schöne Überraschungen. Zuerst geht man durch ein Eisentor, neben dem eine prächtige immergrüne Eiche (Quercus x turnerii) steht.
Unten am Fuß der Treppe stehen wunderbare Bäume. Zuerst empfing mich leuchtend gelbes Laub wie eine Fackel. Der vielstämmige, mächtige Baum stellte sich als eine prächtige Parrotia persica heraus. Daneben feine Acer mit leuchtend gelbem Laub an roten Blattstielen und ein Liquidambar styraciflua mit seinen originellen Fruchtständen.
Staudenbeete im November
Auf der Südseite der Insel am Fuß des Berges finden sich die Staudenbeete. Ich hatte damit gerechnet, dass diese späte Zeit im Jahr die Strukturen der Bepflanzung richtig hervortreten lässt und so war es auch. Wer am Ufer entlang spaziert, stößt immer wieder auf kleinere Anlagen und Beete mit interessanten Kombinationen. Dazwischen beherrschen die Bäume das Bild. Hinter den beiden Figuren „Zusammen im Garten“ erheben sich einige Taxodium, die mit ihrer feuerroten Färbung einen schönen Kontrast zu den grün bewachsenen Steinköpfen erzeugen.
Dort befindet sich der klassisch angelegte Staudengarten. Die Staudenbeete werden strukturiert durch streng geometrische Hecken aus Buchs und Buchen, die schräg zum Verlauf der Beete die Flächen aufteilen.
Am Hang hinauf erstreckt sich eine Fläche mit Kiesgarten und trockenheitsverträglichen Pflanzen wie Iris, Nelken und Nepeta sowie markanten Euphorbia niciciana und den Walzen der Euphorbia myrsinites, dazu wasserfallartig überhängenden Lespedeza thunbergii.
Zwischen den Hecken stehen prächtige Gräser, die den Beeten weitere Struktur geben, dazwischen stehen gestaffelt die Stauden. Lichter und Schatten fingen sich in den abgeblühten Pflanzen. Miscanthus und Hakonechloa, Pennisetum, Calamagrostis und Panicum-Sorten geben den Gräser-Takt vor. Veronica und Veronicastrum, Rudbeckien, Helianthus, Astern und Eupatorium setzen die hohen Akzente.
Hydrangea-Paradies
Wer weitere Beete sucht, wird oberhalb der Comturey am Fuße der Schlossmauer fündig. Hier auf der Ostseite der Insel am Fuß des Schlosses stehen schöne Malus und eine tolle Mischung von Gräsern, Stauden und Hydrangea. Besonders gefallen hat mir die exquisite Kombination der graulaubigen Macleaya mit der hellen Mauer des Turms. Die Macleya war schon im Vergehen, aber es muss auch in Blüte toll ausgesehen haben.
Ab hier entlang des Weges auf der Nordseite des Schlosses liegt das Reich der Hydrangea. Ich weiß nicht, wie viele verschiedene Sorten dort zu entdecken sind, denn ich habe nicht gezählt. Von den riesigen Bällen der Anabelle bis zum seltsamen Blau der Hortensia macrophylla „Hopcorn Purple“ ist alles aufgepflanzt. Das zauberhafte an dem Gehölz ist, dass es selbst in abgeblühter Form schön ist und interessant wirkt, oftmals sogar so, als würde es noch blühen. Dabei zeigt die Hydrangea nur ihre Hüllblätter.
Blicke aufs Wasser
Auch wenn die Pflanzenwelt auf der Mainau faszinierend war, so habe ich es doch genossen, immer wieder die Blicke auf den See zu haben. Richtung Süden zeichneten sich die verschneiten Gipfel der Schweizer Alpen ab, auf der Nordseite zauberte der an den Hügeln hängengebliebene Nebel einen Regenbogen über das Ufer. Gelb leuchteten die Weiden am Anleger vor dem dunklen Himmel.
Arboretum
Überall auf der Insel stehen wunderbare alte Bäume, dazu exotische Gehölze wie der japanische Papierbaum. Die meisten Sammlerstücke befinden sich im Arboretum oben auf dem Berg, zum Beispiel eine mächtige Roteiche oder Raritäten wie die Lotuspflaume.
Die alten Bäume werden so gut es geht gepflegt und erhalten, und so gibt es auch Buchen mit einer Art Korsett, so dass sie stabil bleiben. Habitatbäume, so bezeichnete es einer der Gärtner.
Überhaupt die Gärtner, sie waren sehr freundlich und haben mir bereitwillig Auskunft gegeben. Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass an einem Montag Mitte November die Insel nicht so stark besucht war wie an einem Frühlings- oder Sommertag am Wochenende. Ich bewundere sehr, wie schön die Pflanzungen gepflegt und angelegt sind!
Auf der Insel wachsen sehr viele Metasequoia glyptostroboides. Sie wurden in den fünfziger Jahren gepflanzt, als man in China lebende Metasequoia entdeckt hatte, die man schon für ausgestorben gehalten hatte. Sie verlieren im Winter ihr Nadelkleid, das sich zuvor verfärbt und leuchteten in der Novembersonne wie braunrote Fackeln.
Karibik am Abend
Schließlich habe ich kurz vor Sonnenuntergang die Insel verlassen. Es war ein langer Tag, aber ein sehr schöner, denn ich habe es genossen, in Ruhe über die Insel zu streifen, das tolle Licht zu genießen und die Gehölze zu bewundern. Natürlich habe ich die Gelegenheit genutzt, im Schlosscafé einen der sensationell leckeren Kuchen zu vertilgen.
Auf der sehr reichhaltigen Website der Insel Mainau gibt es mehr Infos und den Link zum „Grünen Telefon“, dem Gärtnerblog der Mainau. Mein herzlicher Dank geht an Lisa Gottschalk von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Mainau für die tolle und stets hilfsbereite Betreuung.
Am Abend ist der Blick auf die Mainau von Litzelstetten aus atemberaubend. Die untergehende Sonne verschwindet zwar frühzeitig hinter dem Berg, dafür aber taucht sie die Insel kurz vorher in ein glühendes Rot. Wer dann in der Dämmerung zum Strand im Ort läuft, wird in der blauen Stunde mit einem geradezu karibischen Flair überrascht.
Das flache Wasser leuchtet türkis, der Himmel blau mit einem letzten Hauch des Abendlichts. Das aber vermag nur die Kamera mit Langzeitbelichtung einzufangen, denn das Auge kann es so nicht mehr sehen.
Sabine Pecoraro-Schneider meint
Ich glaube, wenn ich mal zur Mainau fahre, dann im November…Deine Bilder sprechen Bände, Sylvia!
Sylvia Knittel meint
Vielen Dank Sabine, und ja, es lohnt sich definitiv!
Heinz D. Schultz meint
Unglaublich schöne Bilder. Wir haben mit der Mainau ein echtes Kleinod. Ich war zwar schon mehrmals auf der Mainau, aber die Augen der „Sylvia Mars“ sehen eben besser. Großer Respekt von einem der letzten analog 6×7 Fotografen.
Sylvia Knittel meint
Dankeschön 🙂 Die Kamera sieht das alles nochmal anders als das Auge – aber wem sag ich das… Was machen die Kamerapläne?
Heike Kirschner meint
Was für fantastische Bilder du da eingefangen hast ! Wouw , bin total begeistert ! Nächstes Jahr werd ich die Insel unbedingt im November besuchen Sylvia du bist eine Klasse Fotografin! Großes Kompliment!!!
Sylvia Knittel meint
Vielen herzlichen Dank, Heike. Da werd ich ja fast rot 😉
Lis meint
Traumhaft schöne Fotos, da sollte man nächstes Jahr im November wirklich mal hinfahren. Nur ob man dann wettermäßig so viel Glück hat wie du?
LG Lis
Sylvia Knittel meint
Danke 🙂 Da hilft nur eins: Wetterbericht studieren und die richtige Zeit abpassen. Ich hatte wirklich Glück, denn am Tag darauf regnete es…
Claudia Goelz meint
Fantastisch eingefangen, der Herbst! Danke.
Sylvia Knittel meint
Ich danke Dir, Claudia!